Petting statt Porno

Dieses Thema im Forum "Off Topic" wurde erstellt von spritzundgo, 24. Februar 2015.

  1. spritzundgo

    spritzundgo Guest

    Ein gerade mal dreiunddreißigminütiger Porno veränderte die Welt. Jedenfalls das damals enge Universum des Untenrums lesbischer Sexualität, das man bis dato der Öffentlichkeit zumutete. Im großen Hörsaal findet mit der Vorführung des ersten deutschen Lesbenpornos „Airport 1994 – Bad-Girls-Airline Berlin“ heute die Reihe „screening desire“ vom Referat für gebildete Andersliebende der Humboldt-Uni ein Ende. Die Regisseurin Manuela Kay, so lautet es in der Ankündigung, plaudere aus, wie die Premierenparty des Films im SchwuZ für den wohl vollsten Lesbendarkroom aller Zeiten sorgte und wie die Lesben ihre Scham vor Porno verloren. Anekdoten sollte Frau Kay so einige auf Lager haben, nur keine von den so laut beworbenen.



    Die Anfänge eines Genres entbehren ja im Rückblick meist nicht einer gewissen Komik. So verwundert es kaum, dass die Pionierleistung nur unter tatkräftiger Mitwirkung von Freundinnen und Bettbekanntschaften der lesbischen Regisseurin möglich wurde, die sich sowas einst Exklusives wie eine S-VHS-Kamera noch ausborgen mussten, um den ersten Videofilm, der sich ausschließlich der Vaginaliebe widmete, überhaupt drehen zu können. Das Budget betrug sagenhafte zweitausend Mark, ähnlich günstig wie zwei Jahrzehnte zuvor „Deep-Throat“ im Muschi-Mainstreambereich, und dennoch legte er wie sein Heteropendant neben nackten Frauen eine veritable Weltkarriere hin. Nur eben gänzlich ohne kommerziellen Erfolg.



    Kurze Fingernägel, kurze Haare, gerne mit ausrasiertem Nacken und Nasenring, also die anwesenden Cineasten inszenieren sich geradezu mutwillig als Kampflesben, damit nur ja niemand einen Zweifel an ihrer sexuellen Orientierung hegt. Die Mikrophonprobe der Regisseurin im schwer unterkühlten Saal lautet nicht „Test, Test, kleine Sprechprobe“, sondern „Porno, Porno, könnt ihr mich hören? Gleich läuft ein Porno, letzte Chance den Saal ohne Spätfolgen zu verlassen.“ Womit Manuela Kay schon mal alle Lügen straft, die Lesben generell für humorlose Gesellinnen halten.



    Nostalgisch verklärt zeigt sie das Drehbuch in Maschinenschrift hoch und liest den Anfang vor, wovon mir noch der Ausdruck „mondäne Onanistinnen“ nachklingt, als der erste deutsche Lesbenporno gestartet wird. Schnurstracks bewegen sich vier Frauen in Businessuniform in Richtung Toilette des Flughafens Tegel. Das Tempo, mit dem der Porno die zwischenmenschliche Begegnung aufbaut, ist unfassbar langsam und dabei kaum dramaturgisch spannungssteigernd. Auf der Toilette mühen sich dann die Damen hecktisch und weniger hocherotisch aneinander ab, wobei eine Frau erst mal ein Kondom über ihren Umschnalldildo zieht, bevor sie von langen Röcken verdeckt eindringt. Außer einigen Busenblitzern verweigert dieser Porno jeden näheren Einblick ins Geschehen.



    Kein Originalton, ein musikalisches Vollplayback haben sie wie in einem Musikvideo drübergelegt, nur das eben der Rammel-Rhythmus mit den Beats zu keinem Zeitpunkt im Einklang ist. Das wirkt auf mich noch Gekünstelter als es im klassischen Porno für die impotente Altherrenfraktion oft ist.



    Szenenwechsel zu biertrinken Lederlesben in einem unterirdischen Gewölbe. Bevor die angetrunkene Frau sich der Genialität ihrer Bekanntschaft nähert, zieht sie sich erst mal einen Einweghandschuh über. Es wirkt wie eine Mischung aus Anti-Aids-Aufklärungsfilm, der für Safer-Sex-Praktiken wirbt, und einer drögen Bessermenschenkampagne der Bundesregierung unter der Firmierung „Lesbe sein leicht gemacht – heute: vaginale Stimulation“.


    Die Bildqualität passt sich dem Drehort an – unterirdisch. Mich erinnern die dargestellten Aktivitäten ans eigene pubertäre Diskogefummel. Das ist Petting statt Porno. Und dieser Film soll tatsächlich die Welt erschüttert haben? Ist mir ein völliges Rätsel.


    Die Regisseurin Manuela Kay legt nach der universitären Aufführung noch mit ein paar witzigen Anekdoten nach. Ihre Erzählungen um die Entstehungsgeschichte des Films sind um Längen besser als der Film selbst. Das Medienecho war vor einundzwanzig Jahren enorm. Frau Kay fasst die Kritiken sehr ehrlich zusammen: „wir kamen weniger zu Ruhm als zu Schmäh.“

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